Interview in “Markets” 01/2015 – GTAI / Germany Trade & Invest
Interview mit Lothar Rogal, Geschäftsführer der Mannheimer Werbeagentur Speer + Rogal
Sie sind als mittelständische Werbeagentur auch auf ausländischen Märkten unterwegs. Wie kam es dazu?
Bereits Anfang der 1990er Jahre sind wir mit der Walt Disney Company in Kontakt gekommen. Zwar gab es damals schon die deutsche Niederlassung in Eschborn, allerdings wurde dort stark nach amerikanischem Muster gearbeitet. Wir erhielten den Auftrag, einen Messestand zu gestalten, zu planen und in die Ausführung zu bringen. Bereits in der Planungsphase wurde ein internationales Team gebildet, es waren auch Amerikaner und Mitarbeiter aus der damaligen europäischen Zentrale in Paris involviert. Viele Meetings fanden in Paris statt. Als wir die Feier zur Eröffnung des ersten deutschen Disney Stores in Frankfurt geplant und durchgeführt haben, kamen Spezialisten aus Kalifornien eingeflogen, um mit uns die Abläufe der Feierlichkeiten zu planen. Es war eine spannende Zeit und weil es so erfolgreich lief, waren wir immer für ausländische Unternehmen offen, die in Deutschland ansässig werden oder hier arbeiten lassen wollten.
Seit wann arbeiten Sie für Geschäftspartner aus der arabischen Welt? Sehen Sie in der Region weiteres Potential?
Für unsere saudi-arabischen Kunden arbeiten wir seit 2007. Es war ein vorsichtiger Annäherungsprozess und ein gegenseitiges Kennenlernen der Arbeitsabläufe. Danach ging es stetig voran. Heute gibt es nahezu keinen Bereich der Werbung, ob Produkt, Marken und Unternehmenskommunikation, in dem wir nicht arbeiten. Seien es nun Anzeigen oder Plakate, 3-D-Animationsfilme, Broschüren, Messestände – wir decken die ganze Palette der Marken- und Marketingkommunikation ab. Unsere Werbemittel werden alle im außereuropäischen Ausland eingesetzt, schwerpunktmäßig in den Staaten des Golfkooperationsrates und in Nordafrika.
Die Frage nach dem weiteren Potential kann eindeutig bejaht werden. Allerdings müssen hier einige Faktoren zusammenpassen, die eine Zusammenarbeit zwischen arabischen Unternehmen und einer deutschen Werbeagentur ermöglichen. Neben allen fachlichen Dingen ist dabei in erster Linie das interkulturelle Verständnis aller Beteiligten zu nennen. Man muss sich aufeinander einlassen, verstehen lernen und bereit sein, individuelle Eigenheiten zu akzeptieren. Nur dann kann die Zusammenarbeit funktionieren. Das gilt für beide Seiten. Es ist wie in allen anderen Lebensbereichen auch: Verständnis, Toleranz, Vertrauen, Neugierde und der Wunsch zu lernen bestimmen das Verhältnis und das Tempo der Zusammenarbeit.
Geben Sie doch bitte einen kurzen Unternehmensüberblick. Wo liegt Ihre besondere Kompetenz? Welche besonderen Dienstleistungsangebote zeichnen Sie aus?
Wir positionieren uns als „Agentur für neue Marketingmaßnahmen“ was in etwa bedeutet: Neugründungen, neue Märkte, ungewöhnliche Projekte – das bearbeiten wir gerne und erfolgreich. Hier kann man etwas bewegen, arbeiten ohne auf Befindlichkeiten von Personen zu achten, die es vorher auch schon gut oder vermeintlich besser gemacht haben. Messbare Ergebnisse sind sehr schnell sichtbar und die Rückmeldung des Marktes kann entweder brutal oder wunderbar sein, mit einem Wort – herausfordernd.
Neben unserem stark kreativen Ansatz kann man gleichbedeutend unsere Kundenorientierung nennen. Mehrere Male im Jahr haben wir Kundentreffen im Ausland, sei es nun in Riyadh, Dubai oder wo immer es sonst nötig ist. Das persönliche Gespräch mit dem Kunden kann durch keine Skype-Konferenz ersetzt werden. Gerade in den arabischen Ländern steht der persönliche Kontakt über allen anderen Dingen.
In wie vielen Ländern der Erde sind Sie geschäftlich bereits aktiv?
Durch die Auslandsniederlassungen unseres arabischen Hauptkunden werden unsere Kreativleistungen auch aus Tunesien, Sri Lanka und Singapur abgerufen. Darüber hinaus sind beispielsweise Broschüren, die wir in Mannheim entwickelt haben, in Asien-Pazifik genauso zu finden wie im südlichen Afrika.
Haben Sie für Ihre Werbeaktivitäten in der arabischen Welt oder im sonstigen Ausland nicht Ihre gesamten Werbekonzepte anpassen müssen?
Diese Frage kann man so nicht beantworten, da Werbekonzepte ja nichts Statisches sind, die man aus der Schublade holt und einfach mal anpasst. Jedes Konzept wird individuell entwickelt unter Berücksichtigung des jeweiligen Marktes in dem es platziert werden soll. Zielgruppen müssen erreicht werden, Budgetgrößen eingehalten. Und natürlich nicht zu vergessen der Kundenwunsch. Es spielt schon eine große Rolle, welches Bild der Kunde selbst von seinem Unternehmen oder Produkt hat, das er vermitteln möchte. Von daher ist die Arbeit einer Werbe- und Marketingagentur für ausländische Kunden eine Konzeptleistung und -umsetzung wie jede andere auch. Der wirkliche Unterschied liegt natürlich in der Mentalität der Zielpersonen. Und da können Sie sicher sein, dass sich der arabische Markt vom deutschen stark unterscheidet.
Wie konnten Sie die besonderen landestypischen Herausforderungen (Klima, Kultur, Geschmack, Landessitten etc.) meistern?
Neugierde, Lernwille, Akzeptanz und Toleranz sind die wesentlichen Kriterien für die interkulturelle Zusammenarbeit. Ohne die Neugierde auf andere Kulturen und die Menschen die dort leben, kann eine Zusammenarbeit nicht funktionieren. Die Neugierde führt zwangsläufig zum Lernwillen, wenn man für sich dafür entschieden hat, dass es einen Versuch miteinander lohnt. Dieses Lernen ist ein Prozess der während der gesamten Zusammenarbeit nicht aufhört. Wir wussten anfangs zum Beispiel nicht, was in einer Anzeige in Riyadh gezeigt werden darf und was als Verletzung von kulturellen oder religiösen Werten gezählt werden könnte. Hier haben wir von unserem Kunden viel gelernt – und das tun wir heute noch. Das wichtigste ist jedoch die Akzeptanz der jeweils anderen Lebensumstände und die gegenseitige Toleranz. Wenn West auf Ost trifft kann das sehr fruchtbar sein – wenn alle Partner es so wollen.
Wo gab es dabei die größten Probleme?
Wie schon erwähnt lag die größte Herausforderung sicherlich in den in den stark unterschiedlichen Kulturen. Der Islam als Staatsreligion gibt den Ton an, auch in der Werbung, der Produktdarstellung und in der Abbildung von Gegenständen oder Menschen. Aber auch rein technische Dinge wie Farben und Kontraste der Abbildungen sind aufgrund von anderen Sehgewohnheiten anders.
Haben Sie Tipps für Newcomer im Arabien-Geschäft?
Man muss sich einstellen auf die Menschen, auf andere Abwicklungsstrukturen und vor allem auf gänzlich andere Geschwindigkeiten. Klassische deutsche Tugenden, die gemeinhin mit Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit etc. beschrieben werden, sind im Arabien-Geschäft sicher wichtig, aber eben nur ein Teil der Gleichung. Um hier Geschäfte machen zu können muss man versuchen, die arabische Lebensart zu verstehen und gewillt sein, eigene Schemata und Abläufe damit anzureichern und zu verändern. Erst wenn beide Partner sich jeweils aufeinander einlassen wird das Ergebnis ein gutes sein. Aber ist das nicht immer so im Leben?
Interview: Ernst Leiste (Link zum Heft)